Eine Arbeitsgruppe der SPÖ soll Regeln ausarbeiten, wie die Partei ihre eigene Frauenquote einhalten kann. Bundeskanzler Werner Faymann nennt es ein “Dilemma”, das man lösen müsse. Die Nationalratswahlordnung lasse es nicht zu, einfach Frauen vorzureihen, wie es das eigene Parteistatut verlange. Tatsächlich sind Umreihungen und Verzichtserklärungen im Parlament aber Gang und Gäbe. Auch bei der SPÖ.
“Ich weiß schon, meine Damen und Herren, das alles ist sehr kompliziert, so wie diese Welt, in der wir leben und handeln, und die Gesellschaft, in der wir uns entfalten wollen.” – Fred Sinowatz’ legendärer Ausspruch bei seiner Regierungserklärung 1983, gerne verkürzt wiedergegeben als “Es ist alles sehr kompliziert.” Sinowatz meinte es als Hinweis, dass auch seine Regierung nicht perfekt sein werde, was sie wirklich nicht war. Werner Faymann hat nun auch den Sinowatz gemacht. Eine Nachbesetzung des Prammer-Mandats im Parlament mit einer Frau, wie vom Statut gefordert, sei so einfach nicht. Die Nationalratswahlordnung stürze die Partei in ein “Dilemma”. Leider. Kompliziert. Sie wissen.
Wahlrecht ist nicht einfach, so kompliziert aber auch wieder nicht. Ein wichtiger Punkt: Alle Nationalräte ziehen über eine Liste ins Parlament ein. Parteien erstellen vor der Nationalratswahl drei Listen, eine Regional-, eine Landes- und eine Bundesliste. Zumeist stehen Bundespolitiker auf mindestens zwei Listen. Aus gutem Grund: Denn am Tag nach der Nationalratswahl beginnen die Verhandlungen, wer tatsächlich in den Nationalrat einzieht. Innerhalb von 48 Stunden nach der Kundmachung des Endergebnisses der Nationalratswahl müssen jene Kandidaten, die auf mehreren Ebenen Mandate errungen haben, kundtun, welches sie annehmen. Manche Parteien haben Regeln dafür, andere nicht. Landesparteien haben Regeln, die vom Bund abweichen und es sollen auch schon persönliche Animositäten eine Rolle gespielt haben. In der SPÖ entscheidet in der Regel der Bundesparteivorstand wer über die Bundesliste einzieht, der jeweilige Landesparteivorstand regelt den Rest.
Ein Beispiel: Christoph Matznetter. Der langjährige Abgeordnete, ehemaliger Staatssekretär der SPÖ, hatte es nach der Nationalratswahl 2013 nicht mehr ins Parlament geschafft. Seine zweite Chance kam im Februar 2014, als Laura Rudas das Handtuch warf, um in Stanford zu studieren. Sie hinterließ einen leeren Platz auf der Regionalwahlliste 9E, den – de iure – nun der nächstgereihte Harald Gruber für sich beanspruchen konnte, ein bundesweit unauffälliger Wiener Bezirkspolitiker aus Liesing.
Die Bundespartei hätte aber gerne Christoph Matznetter, den Präsidenten des Sozialdemokratischen Wirtschaftsverbandes, im Hohen Haus gesehen. Matznetter stand aber nicht auf der Regionalwahlliste 9E, sondern nur auf der Wiener Landesliste und der Bundesliste der SPÖ. Ein Dilemma, aber kein unlösbares.
Der Schlüssel war ausgerechnet Sabine Oberhauser, die nun Gesundheitsministerin geworden ist. Anders als Matznetter stand sie auf der Regionalwahlkreisliste 9E, der Landesliste und der Bundesliste. Schon im Oktober nahm sie ihr Mandat über die Bundesliste an. Nun verzichtete sie auf ihr Mandat und schied rein formell aus dem Parlament aus. Jetzt ging das mit den Verzichtserklärungen los. Oberhauser war auf Bundeslistenplatz 7, hinter ihr lauter Parteiprominenz mit Mandaten oder Ministerposten. Josef Cap, Doris Bures und Norbert Darabos, aber auf Platz 11: Claudia Schmied, Ex-Bildungsministerin und ausgeschieden aus der Politik. Sie musste nun formell auf ihr Mandat verzichten, was sie auch tat. Weitere 15 Listenplätze später – nach allesamt mit Mandaten versorgten Politikern – befindet sich der Name Christoph Matznetter. Er konnte nun in den Nationalrat.
Nun aber stand Sabine Oberhauser ohne Mandat da. Doch wo ein Wille, da ein Weg. Oberhauser steht auf der Regionalwahlkreisliste ganz unten, nämlich am zwölften und letzten Platz. Also mussten sieben Verzichtserklärungen eingeholt werden und demnach sieben Parteimitglieder auf ihr rechtlich zustehendes Nationalratsmandat verzichten, damit Sabine Oberhauser dort bleibt, wo sie war, und Christoph Matznetter in den Nationalrat kommen kann. Zu diesen sieben gehören verdiente Frauenpolitikerinnen der SPÖ, wie Andrea Mautz, oder der Sohn des Wiener Bürgermeisters, Bernhard Häupl. Sie alle unterschrieben und verzichteten auf ihr Mandat, das ihnen die Nationalratswahlordnung zugestanden hätte.
Regionalwahlkreisliste 9E der SPÖ
- Bures, Doris
- Schieder, Mag. Andreas
- Rudas, Mag. Laura
- Gruber, Harald
- Katzian, Wolfgang
- Höfenstock, Kira-Raffaela
- Mautz, Mag. Andrea
- Karner-Kremser, Waltraud
- Häupl, Bernhard
- Pena, Ing. Alejandro
- Bischof, Gerald
- Oberhauser, Dr. Sabine
Nach den ganzen Verzichtserklärungen im März ist man auf der Regionalwahlliste 9E ganz unten angekommen und nun verlässt Sabine Oberhauser ihr Mandat in Richtung Ministerium. Wer folgt ihr? Ganz einfach: Die bisherige Verkehrsministerin Doris Bures. Sie hat ein Rückkehrrecht auf ihr Nationalratsmandat. Ganz unkompliziert.Werner Faymann sagt, es stelle die SPÖ vor ein “Dilemma”, wenn nun ein einziger Gewerkschafter verzichten müsse, um das SPÖ-Parteistatut zu befolgen. Paragraph 16, Absatz 6 fordert zwar 100% weibliche Nachrückungen, bis im SPÖ-Klub eine Frauenquote von 40% herrscht. Tatsächlich waren es seit der Nationalratswahl 2013 aber bisher fünf Männer und zwei Frauen, die ins Parlament nachgerückt sind. Walter Schopf ist nun der sechste Mann und bekommt das freigewordene Mandat von Barbara Prammer. Sonja Ablinger darf nicht nachrücken. Als Konsequenz soll nun eine Arbeitsgruppe das Parteistatut überarbeiten, um das Dilemma mit der Frauenquote zu lösen.
Kommentar überflüssig! Es gibt immer Wege, um Regeln nicht einhalten zu müssen. Aber das überrascht nicht mehr.
dem ist nichts hinzuzufügen, danke.