Master of Desaster

Ex-BZÖ-Politiker Klaus Wittauer bekam 432.000 Euro von der Telekom. Einzige dokumentierte Leistung: Seine Masterarbeit, die nach fünf Jahren nun öffentlich zugänglich ist.

 So eine Note muss einen ausgewiesenen Kenner wie Klaus Wittauer geschmerzt haben. Im Korruptions-U-Ausschuss nennt er sich selbst einen „Telekom-Wisser“, jemand der „eine große Ahnung” habe und „sehr viel Bescheid“ wisse von der Telekom. Und doch reicht es nur für ein „Gut“ an der Welser WWEDU, einer MBA-Fabrik, die in den zehn Jahren ihres Bestehens 5000 akademische Titel verliehen hat. Anfang 2007, wann genau verrät das Weiterbildungsinstitut nicht, schreibt sich Wittauer für den Masterstudiengang „General Management“ an der WWEDU ein – ein zweijähriges MBA-Programm, an dessen Ende 2008 eine Arbeit steht, in der Wittauer seine “Studien” als Berater der Telekom zusammenfasst.

Nach der Wahl 2006 verlässt BZÖ-Telekomsprecher Klaus Wittauer den Nationalrat. Kurz danach bietet ihm Telekom-Manager Gernot Schieszler einen Beratervertrag an. Wittauer soll die Integration der Telekom Tochter eTel begleiten, doch dort sieht man ihn nur einmal: Bei der Vertragsunterzeichnung. Im U-Ausschuss sagt er aus, er habe nicht der eTel, sondern nur Gernot Schiezler direkt berichtet. Sein Werk: “Vier dicke Bene-Ordner” an “Studien” zur Zukunft des Festnetzes, die Wittauer an Schieszler übergeben haben will. Obwohl Wittauer sagt, “vier Stunden täglich” für die Telekom gearbeitet zu haben, weiß man dort davon nichts. Die Bene-Ordner sind bis heute unauffindbar und auch sonst scheint es für Wittauers Werk in der Telekom keinen weiteren Beleg zu geben.

Nach nur neun Monaten will die neue Telekom-Führung Wittauers Beratervertrag kündigen. Aufgrund der langen Kündigungsfristen muss sie Wittauer dennoch die gesamte Vertragssumme von 432.000 Euro auszahlen. “Ich habe davor den akademischen Betriebsführer gemacht – oder: schon längere Zeit davor – und habe mir gedacht, wenn ich schon so fleißig bin und so viel erarbeite, dann verwende ich doch das Ganze für die Diplomarbeit. Und schlussendlich ist die Diplomarbeit über die Telekom entstanden,” sagt Wittauer im U-Ausschuss.

Und diese Diplomarbeit hat es in sich. Schon im Vorwort macht Wittauer klar, dass auf den kommenden Seiten nicht mit Eigenleistung des Verfassers zu rechnen ist. Seine Arbeit verstehe sich “als Synopsis, als Zusammenschau”. Und tatsächlich zitiert Wittauer nicht einfach, er kopiert flächendeckend. Die Eigenleistung des Verfassers beschränkt sich auf das Vorwort und eine achtseitige Einleitung. Danach kopiert Wittauer mehr oder weniger zusammenhanglos aus vor allem drei Quellen: Aus einigen Berichten externer Beratungsunternehmen und firmeninternen Präsentationen, EU-Kommssionspapieren und einer PR-Broschüre der Telekom.

Das viele Copy-Paste dürfte Wittauer aber überfordert haben. Auf Seite 75 etwa wird Vorstand Schieszler zitiert mit “Wie auch der Balken Services in der Abbildung zeigt…”, nur die Abbildung hat Wittauer vergessen mitzukopieren. Wenig später fügt Wittauer zwar den Satz „Das Wachstum im IKT-Sektor wirkt sich auf zweierlei Arten auf das Gesamtwirtschaftswachstum einer Region aus“ ein, erklärt aber nicht die “zweierlei Arten” sondern geht einfach auf eine andere Passage über. Auch offensichtliche Tippfehler der EU-Kommission übernimmt er in seinen Text: “Wie schon im Jahr 2006 sind die Umsätze mit Festnetz-Sprachtelefondiensten weiter um etwa 5 %4 (sic!) zurückgegangen. Der Gesamtumsatz wird auf 79 Milliarden Euro4 (sic!) geschätzt.”

432.000 Euro hat Wittauer in den insgesamt 24 Monaten seiner Beratungstätigkeit bei der Telekom verdient. Einzig nachvollziehbares Ergebnis ist eine Masterarbeit, in der ganze Absätze aus Werbebroschüren stammen: “Breitband ist mehr als pure Geschwindigkeit. Breitband ist Applikationsvielfalt und Servicequalität. Breitband ist ein neues Lebensgefühl.”

Telekom-Rechtsexperte Hans Peter Lehofer ist, angesichts der wesentlichen Teile der Arbeit die er begutachten konnte, “sprachlos”. “Der ‘Verfasser’ der Masterarbeit gibt zwar fremde Arbeit nicht als eigene aus, aber kopiert fremde Arbeit einfach zusammen. Dass Wittauer glaubt, hier eine akademische Arbeit abgeliefert zu haben, ist eine Sache. Das wirklich Atemberaubende aber ist, dass diese Arbeit als Masterarbeit positiv beurteilt worden ist.”

Der Beurteilungsbogen der Arbeit weist für “formale Kriterien” die Note 1,75 aus, für “inhaltliche Kriterien” wie Klarheit von Thema und Fragestellungen oder Qualität der methodischen Durchführung 2,0. Kriterien wie Originalität von Fragestellung und Ausführung oder Grad der Selbständigkeit werden mit 2,5 beurteilt. Ergibt eine Gesamtnote von eben “Gut”.

Benotet hat die Arbeit Dr. Martin Stieger. Er ist ehemaliger ÖVP-Vizebürgermeister von Wels und war zu dieser Zeit Studienleiter der WWEDU. Der Begutachter steht auch fünf Jahre später noch zu seiner Note. Er erkennt in der Arbeit eine Zusammenschau, sie stellt für ihn “eine in dieser Form zum Zeitpunkt der Verfassung noch nicht so existierende Gesamtschau der einzelnen für die Fragestellung interessanten Erkenntnisse” dar. Die Arbeit sei daher “durchaus als Abschlussarbeit im absolvierten Lehrgang der Weiterbildung anzunehmen.”

Selbst die Schlussfolgerung der Arbeit ist nicht von Wittauer selbst geschrieben. Auf den letzten vier Seiten liefert er “Empfehlungen für Telekom-Unternehmen”, auch sie stammen aus einem internen Bericht einer Beratungsfirma den Wittauer von der Telekom bekam und den er wieder einfach kopiert hat.

Wittauer
Titelblatt der Masterarbeit “Telcos am Wendepunkt” von Klaus Wittauer

Hans Peter Lehofer meint: “Ich kann nicht erkennen, welchen Wert es für die Telekom haben hätte können, ein Cut and Paste aus eigenen PR-Texten, internen Präsentationen und Analysen, Allerwelts-’Literatur’ wie Kommissionsmitteilungen oder -Umfragen und Analysten-Berichten zu bekommen, dem keine erkennbare Systematik zugrunde liegt, keine Quellenkritik oder Bewertung, keine eigene nachvollziehbare Abwägung.”

Der mutmaßliche Profiteur der Arbeit konnte die Studienergebnisse auch nicht verwerten. Wittauers Masterthesis “Telcos am Wendepunkt Synopsis der Zustände, Trends und Herausforderungen für die Telekom-Branche am Beispiel der Telekom Austria” ist in der Telekom Austria nicht aufgetaucht. Dort kennt man die MBA-Arbeit erst aus der Akteneinsicht in den diversen Gerichtsverfahren. Ob ein damals tätiger Vorstand die Arbeit zu Gesicht bekommen habe, könne man nicht sagen. Wittauer selbst meint, er habe sie Vorstand Gernot Schieszler zur Verfügung gestellt. Dieser sei es auch gewesen, der darum gebeten habe, die Arbeit für fünf Jahre für die Öffentlichkeit zu sperren.

Heute will Klaus Wittauer nicht mehr über seine Masterabeit  sprechen, sein Anwalt Ewald Scheucher betont, sie habe mit dem Beratervertrag mit der Telekom nichts zu tun und sei privat entstanden. Vor dem U-Ausschuss hat Wittauer noch gesagt, die Arbeit und seine Studien seien “der Nachweis, dass ich gearbeitet habe für diesen Vertrag”

Bleibt die Frage, was denn nun die Leistung Wittauers für den üppig dotierten Beratervertrag war. Sein Anwalt will das heute aber nicht mehr öffentlich kommentieren.

Klaus Wittauer wurde im Telekom Prozess wegen verdeckter Wahlkampffinanzierung des BZÖ zu zwei Jahren bedingter Haft, davon drei Monate unbedingt, verurteilt. Sein Beratervertrag bei der Telekom hatte kein juristisches Nachspiel. Die Masterarbeit, sagt Wittauer vor dem U-Ausschuss, sei “für einen Tiroler nicht so übel.”

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  1. Das sind doch nur 20.000/Monat. 10 mal das Verdienst eines Normalbürgers für 40 Stunden die Woche. Pannen- und Pleitebanker sowie hilflose oder korrupte Politiker richten sich´s noch besser. Keiner weiß etwas, bis das Unglück passiert ist, keiner kennt sich aus, bis die Arbeitskommission einen Bericht abliefert. Dann ist es aber meistens zu spät. Bananenrepublik Österreich, überorganisiert um Steuern des kleinen Mannes einzuziehen, verwaltungsmäßig organisiert wie ein Großstaat, hat nicht genug Staatsanwälte und Steuerprüfer. Da hilft nur eines: wegschauen. Lasst aber die armen Akademiker leben, kopieren ist ja anerkannter Weise eine akademische Tätigkeit.

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Andreas Mölzer war 2005 der Dreh- und Angelpunkt der Spaltung der FPÖ

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